Blick hinter die Kulissen

Erstellt von Bettina Zwickler || News 

„Wohin geht die Reise..." Ein ehrlicher und persönlicher Blick hinter die Kulissen des momentanen Reisebüroalltags und der Ausblick auf die Zukunft. (Bettina Zwickler)

„Urlaub im eigenen Land" war seit Monaten der Aufruf der Politik und wurde als die Lösung zum Verreisen angepriesen. Beim jetzigen Blick auf Nachrichten und COVID-19 Sonderreportagen verliert auch der letzte Zuhörer und Reisewillige den Überblick und gleichzeitig auch die Unbeschwertheit, die doch zum Reisen dazugehören soll. Und Diskussionen machen auch deutlich, dass es keine pauschale Lösung gibt und es bislang „einfacher" war, weltweite Regeln zum Reiseverhalten aufzustellen, als diese Maßstäbe jetzt im eigenen Land umzusetzen, bzw. überhaupt zu definieren. Sich durch den Dschungel der Verordnungen und Maßnahmen zu kämpfen, war jedoch niemals einfach – für keinen.

Es liegt mir fern, hier ein Urteil über richtig oder falsch abzugeben, ich bin sogar dankbar, dass ich diese Entscheidungen nicht treffen muss. Aber sie beschäftigen, prägen und berühren uns täglich und nicht nur uns, sondern auch Sie. Selten haben wir in den letzten Monaten so viel Resonanz auf Schlagzeilen und Berichte bekommen, wie auf diese beiden:
„Über einen rekordverdächtigen Buchungsstart für die Weltreise im Jahr 2023 freut sich Regent Seven Seas Cruises. Beim Buchungsstart gab es doppelt so viele Reservierungen wie für die Weltreise 2022" und „Das leise Sterben der Reisebüros" (Kieler Nachrichten, 02.10.20). 
Unterschiedlicher können zwei Schlagzeilen kaum sein, aber was für Sehnsüchte und Schicksale, Herausforderungen und Chancen verbergen sich hinter diesen Überschriften?
Ihre Fragen und Ihr Zuspruch haben mich motiviert, einmal einen ehrlichen und offenen Blick hinter die Kulissen zu werfen – frei von dem Anspruch auf allgemeine Gültigkeit, aber mit viel Herz und Verstand.

Zum einen zeigt der rekordverdächtige Buchungsstart einer Weltreise für 2022/23 natürlich, dass die Reiselust und die Sehnsucht nach der Ferne anscheinend wie ein Gen sind, das wir in uns tragen. Zum anderen natürlich auch, dass es uns generell immer noch sehr gut geht und für das Luxusgut Urlaub weiterhin Geld ausgegeben wird. Das macht uns Mut und Hoffnung, bestärkt uns in unserer Zuversicht und unserem Vertrauen in uns und unsere Zukunft. Und ganz ehrlich, wenn ich als Inhaberin nicht an das Passage-Kontor, unser Können glauben und in unser Handeln investieren würde – wie könnte ich das von unseren Kunden erwarten?

Hier rückt die zweite Schlagzeile der Kieler Nachrichten (KN) in den Blickpunkt, aber der Umkehrschluss: „Wer es nicht schafft, glaubt nicht an sein Unternehmen", ist provokant wie absolut falsch. Viel differenzierter muss da der Blick hinter die Kulissen geworfen werden. Die KN schreibt: „Das Reisebüros zu den großen Verlierern der Corona-Krise gehören, ist bekannt." Schon bei diesem Satz schlug mein Herz schneller. Da betitelt man die am stärksten betroffene Branche gleich mal pauschal als Verlierer, Frau Suding von der FDP ging ja sogar noch einen Schritt weiter und fragte: „Muss eine totgerittene Branche noch gefördert werden?" Vielleicht ist genau das, das wirkliche Dilemma, dass in vielen Köpfen eine ganz falsche Vorstellung von den Leistungen, Verantwortlichkeiten und dem Mehrwert von Reisebüros existiert.

Ja, wir haben momentan kaum ein Produkt, was wir verkaufen können und selbst wenn, dann fließen unsere Erlöse zum größten Teil erst bei Beginn und Durchführung der Reise. Das bedeutet, dass wir seit Februar keine Einnahmen mehr haben, aber täglich im Einsatz sind für Rückabwicklungen, Fragen, Sorgen, Umbuchungen und Neubuchungen für 2021, und weiterhin laufende Kosten haben. Damit waren und sind wir finanzielle Verlierer. Aber während Veranstalter, Airlines, Reedereien die Telefonleitungen geschlossen haben, da waren die Reisebüros da. Es gab einmal eine Kampagne, die nannte die Reisebüros „Die Kümmerer". Diese Bezeichnung trifft es sehr gut, denn genau das ist der Mehrwert, den alle Kunden bei einer Buchung im Reisebüro haben. Und im Gegensatz zur Anonymität im Netz, liegt der größte und unbezahlbare Schatz für Sie und uns darin, dass wir uns kennen. Unser persönliches Credo besteht darin, dass wir nur das anbieten, wo wir in Zeiten wie diesen selbst Urlaub machen würden. Das ist natürlich kein Versprechen auf „Es kann Ihnen nichts passieren", aber es hat eben auch etwas mit Anstand, Moral und Respekt zu tun. Es steht nicht die Wirtschaftlichkeit im Vordergrund, es kommen Werte hinzu, Vertrauen und Verlässlichkeit.

Und trotzdem habe ich ja die Verantwortung für meine Crew, für Arbeits- und Ausbildungsplätze. Hier passt ein kurzer Ausflug in politische und wirtschaftliche Förderungsprogramme. Diese gibt es und ich möchte ganz explizit betonen, dass die getroffenen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung sowie die vielseitigen Unterstützungen der Wirtschaft durch Soforthilfe, Überbrückungshilfe und KfW-Krediten beispielhaft in Europa sind und diese drücken Wertschätzung - auch gegenüber unserer Branche - deutlich aus.
Dem politischen Willen, der Reisewirtschaft durch diese schwierige Zeit zu helfen, stehen aber verwaltungsseitig zum Teil erhebliche Hürden im Weg, die verhindern, dass die politisch gewollte Hilfe bei den notleidenden Unternehmen ankommt.
So ist es zum Beispiel, dass ein 10-jähriger KfW-Kredit auf Soforthilfe und Beihilfe angerechnet wird. Damit stößt ein Unternehmen mit einer etwas größeren Mitarbeiteranzahl unerwartet schnell an den 800.000 Euro Beihilfe-Obergrenze Deckel. Dies führt dazu, dass dieses Unternehmen von weiteren Überbrückungshilfen ausgenommen und damit der eigentliche Sinn der Überbrückungshilfen nicht mehr gewährleistet ist. Die KfW-Sonderkredite wurden auch deutlich VOR den Überbrückungshilfen als Corona-Maßnahme platziert, als ein Zusammenspiel von Kredit und Hilfen nicht absehbar war. Zu Beginn der Pandemie sind die Politik, die KfW und die Hausbanken von einer Wirtschaftseintrübung von drei Monaten ausgegangen. Die Reisebranche leidet nunmehr seit Februar unter der Corona-Pandemie und damit bereits acht Monate.

Beim „leisen Sterben der Reisebüros", wie die KN es betitelt, spielen eben viel differenzierte Gründe eine Rolle, es ist nicht automatisch die ganze Branche. Aber die Größe eines Unternehmens ist leider momentan ein Stolperstein. Wie flexibel und schnell kann ein Unternehmen handeln und Kosten sparen, wenn es durch alle Förderraster fällt, es langfristige Mietverträge gibt, die z.B. in Einkaufscentren auch verpflichtende Öffnungszeiten beinhalten? Und so kommt es dann, dass ein Jahrzehnte gut florierendes Familienunternehmen wie Fahrenkrog – und immer fairer Mitbewerber mit Weitblick und Bereitschaft über die Kieler Förde hinaus zu blicken -  es nicht geschafft hat. Diese Nachricht hat auch uns sehr berührt, denn bei Fahrenkrog habe ich nicht nur meine ersten touristischen Schritte unternommen und meine Lehre absolviert, gemeinsam haben wir uns auch bei der Kreuzfahrt-Initiative im Vorstand für den fairen Vertrieb in dieser Branche eingesetzt und viel bewegt. Nicht zu vergessen die über 60 Mitarbeiter, die für uns Namen und Gesichter haben, mit denen wir Erlebnisse und Erinnerungen teilen.
Die Entscheidung, ein Reisebüro durch diese niemals dagewesene Krise zu führen, wird bei vielen Kollegen auch durch das berühmte „richtige Timing" geprägt. Riskiere ich mit knapp 60 diesen finanziellen Invest und das Anbrechen einer Altersvorsorge? Wie breit aufgestellt ist mein Büro, möchte und kann ich mich neu aufstellen? Hier entscheiden sich tatsächlich viele Kollegen für das Schließen des Büros – und hoffentlich nicht mit dem Gefühl des Verlierens sondern schlicht aus Vernunft.

Ich habe am Anfang der Krise für uns im Passage-Kontor schnell einen Finanz- und Zukunftsplan erstellt, der einen Verdienstausfall von 12-15 Monate vorgesehen hat. Damit galt ich selbst unter Kollegen der Touristikbranche als „Pessimist". Heute zeigt dieser Weitblick aber die Realität und schenkt meiner Crew, Ihnen und auch mir und meiner Familie eine gewisse Zuversicht, Vertrauen und Gelassenheit. Einen Finanzplan aufstellen ist das eine, ihn mit allen Konsequenzen umsetzen etwas anderes. Natürlich habe ich persönlich definitiv die eine oder andere Träne vergossen, habe im stillen Kämmerlein geflucht, wurde durch manch Nachricht, Reaktion, Entscheidung von „Politik und Mensch" an meine Grenzen gebracht. Habe immer wieder den Spagat zwischen „Mut und Risiko" abgewogen.
Aber wir haben uns im Passage-Kontor niemals in der „Opferrolle" gesehen. Wir haben unsere Ziele vor Augen und auch uns hinterfragt, denn eines ist klar: Das Reisebüro der Zukunft darf nicht die Hände in den Schoß legen, tatenlos zuschauen, Hilfe von außerhalb verlangen und auf seine Kunden warten. Wir müssen Sie – unsere Kunden – da abholen, wo Sie sind, müssen immer neue Wege schaffen und aufzeigen, aktiv unsere Zukunft gestalten. Unsere Hausaufgaben haben wir gemacht, u.a. mit unserer neuen Website und innovativen Informations- und Buchungsmöglichkeiten, flexiblen Beratungszeiten, Erreichbarkeit auf allen Kanälen für Austausch und Nähe, trotz „Social Distancing", alles vorbereitet, um mit Ihnen den Blick auf 2021 zu richten. Geblieben ist unsere gesamte Crew, unser Wissen, unsere Erfahrung, unsere Leidenschaft und Begeisterung und unser wertvollstes Kapital für die Zukunft: Sie, unsere Kunden.
Aber auch hier möchte ich ein offenes Wort ergänzen: Das Erledigen von Hausaufgaben und die Bereitschaft für diese Investitionen, ist das eine. Für die erfolgreiche Zukunft ist es unerlässlich, dass wir Sie als Wegbegleiter haben, so wie wir die letzten Monate an Ihrer Seite standen. Eine große Herausforderung für uns ist eben auch, selbstbewusst und immer wieder nach außen zu tragen, was wir vieles können und dass wir in jeder Hinsicht der richtige Partner rund um das Thema Reisen sind. Wie heißt es so schön: In guten wie in schlechten Zeiten! Es ist unser größter Wunsch, Ihnen Ihren Mehrwert und ein gutes Gefühl, durch eine Buchung im Reisebüro mit auf den Weg zu geben. Gleiche Preise, persönliche Ansprache, aber auch die Sicherung von Ausbildung und Arbeitsplätzen in der Region und somit Steuereinnahmen für die eigene Stadt sind für uns nicht nur die wichtigsten Argumente sondern eine Herzensangelegenheit.

Eigentlich ist es wie immer im Leben: Situationen annehmen, nicht in Stillstand verharren und das Beste daraus machen. So können wir nämlich auch alle im Hier und Jetzt unser Leben mit schönen Dingen bereichern. Ja vielleicht anders als gewohnt, aber das Leben besteht aus Veränderungen. Was wäre, wenn wir alle nur auf den bekannten Alltag warten, unser „Jetzt", aber die Zukunft ist? Dann verschenken wir so viel Lebensqualität und Zeit. Veränderungen offenbaren auch Chancen. Die Kunst des Glücklichseins besteht darin, diese zu erkennen und anzunehmen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Gesundheit und viele Chancen zum Glücklichsein.
Ihre
Bettina Zwickler

 


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