Jeder hat sie – die Liste mit seinen Traumreisezielen, neu auch „bucket list“ genannt. Auch ich natürlich und diese muss abgearbeitet werden.
Abenteuer Kanada
Wenn man im Reisebüro arbeitet, wird diese auch quasi täglich länger.
Ein langjähriges Ziel auf meiner Liste: Kanada
Mein Vater ist als Koch in jungen Jahren um die Welt gereist. Lange hat er da in Neuseeland und Kanada gelebt und gearbeitet. Von Kanada war ich daher schon früh begeistert. Mein Bruder, ehemals Geographie-Student, war auf einer Exkursion in Kanada. Da wurde dann mein Reisewunsch gefestigt.
ABER Kanada ist groß... Was wollen wir sehen, erleben? Wie wollen wir reisen? Wann ist die beste Reisezeit?
Ich befasste mich daher mit den drei großen touristischen Regionen:
- Vancouver & Vancouver Island + Inside-Passage & Yukon
- Rocky Mountains
- Indian Summer Ostküste + Nova Scotia & Neufundland
Um meinen Freund von diesem facettenreichen Land ebenfalls zu begeistern, erstellte ich tatsächlich verschiedene Power Point Präsentationen um die möglichen Reisen vorzustellen. Es stellte sich schnell heraus, dass bei den Rocky Mountains unsere beiden Herzen höher schlugen. Wir haben uns für den September als Reisezeit entschieden, da wir die Hochsaison und die Touristenmassen etwas umgehen wollten.
Nun musste ich meinen Freund nur noch von der Art des Reisens überzeugen. Und ja, da war Überzeugungskraft gefragt. Denn für mich stand sofort fest, ich möchte dieses Reiseziel ganz individuell mit dem Camper erkunden. Völlig unabhängig und flexibel die Zeit genießen.
Camper-Romantik hörte sich anfangs für meinen Freund aber nicht so attraktiv an. Bisher waren wir aber auch immer in Hotels oder auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs, das ist natürlich auch eine ganz andere Art des Reisens.
Er war also skeptisch – aber um das Fazit vorzuziehen, wir waren beide begeistert und der nächste Camper-Urlaub ist bereits in Planung.
Tipps & Reisevorbereitungen
Die Flüge und den Camper haben wir knapp ein Jahr im Voraus gebucht um eine gute Frühbucher-Ermäßigung zu erhalten. Gerade Camper sollte man frühzeitig buchen, da es einfach nur eine begrenzte Anzahl an Fahrzeugen gibt.
Immer am Anfang des Jahres werden die Campingplätze freigeschaltet. Auch diese haben wir dann bereits gebucht, denn auch wenn wir etwas außerhalb der Hochsaison reisen wollten, können die Plätze in den beliebten Regionen vor Ort ausgebucht sein.
Damit stand dann auch die Route:
Calgary – Banff – Jasper – Clearwater – Revelstoke – Calgary
Wer einen Camper-Urlaub plant, hat eine größere Reisevorbereitung als bei den klassischen Erholungspauschalreisen. Da wir hauptsächlich wegen der Natur Kanada bereisen wollten, waren natürlich auch Wanderungen und Aktivitäten geplant. Das heißt, wir benötigten unter anderem gutes Schuhwerk, einen Rucksack, passende Kleidung und, und, und. Daher war es optimal, dass wir bereits so früh die Reise gebucht und geplant haben – wir hatten genügend Zeit, die Reise vorzubereiten.
Einige Wochen vor Reisebeginn gab es dann leider in unserer Reiseregion viele Waldbrände, was uns etwas Sorgen bereitete. Überraschenderweise schlug das Wetter dann aber einige Tage vor unserem Abflug so extrem um, dass eine Kältefront mit -10 Grad und 30 cm Schnee unsere Reisepläne stark beeinträchtigte. Nachdem wir unser Gepäck dann noch schnell um Handschuhe, Rollkragenpullover und Mütze erweitert hatten, flogen wir aber trotzdem voller Vorfreude Richtung Westen!
Die große Reise beginnt
Nach der Ankunft in Calgary bezogen wir für eine Nacht ein Hotel. Das ist eine Vorschrift bei den Vermietern, damit man ausgeruht den Camper annehmen kann. Wir starteten also am nächsten Tag mit dem Besuch beim Vermieter. Dort erhielten wir eine ausführliche Einweisung und die komplette Fahrzeugausstattung. Diese beinhaltet z. B. ein Bettwäsche- und Handtücherpaket, aber auch Geschirr etc. Das sollte man auch unbedingt immer vorab hinzubuchen, da es deutlich teurer wäre, dies vor Ort zu kaufen, und natürlich auch viel zu umständlich wäre, es von zu Hause mitzubringen. Wir richteten uns also ein und fuhren ein paar Proberunden auf dem Vermietergelände.
Wir haben einen kleinen Camper (Kat. C19 Cruise Canada) gemietet. Uns war wichtig, dass wir eine Toilette haben und von dem Fahrercockpit direkt in den Wohnbereich kommen. Ein großes Badezimmer mit Dusche und ein ebenerdiges Bett waren uns nicht so wichtig. Wir wollten auch die kleinste Kategorie nehmen, um auch die Serpentinenstraßen in einigen Regionen befahren zu können.
Geschlafen haben wir in den Alkoven über dem Fahrerbereich.
Ganz ehrlich? Ja, das war in Ordnung. In der Regel waren wir abends auch so kaputt, dass wir einfach schnell eingeschlafen sind. Aber komfortabel war es nicht wirklich. Tatsache ist, es ist ein Holzbrett mit Schaumstoffauflage.
Würden wir beim nächsten Mal ein paar Zentimeter mehr buchen, um ein reguläres Bett im Wohnbereich zu haben? Wahrscheinlich ... ;-)
Die erste Fahrt führte uns zum nächsten Supermarkt. Dort statteten wir uns mit dem ersten Großeinkauf aus. Klassische Produkte: Nudeln, Soße, Müsli, Toast, Grillwürstchen. Natürlich hatten wir eine normal ausgestattete Küche im Camper, mit Herd, Mikrowelle, Kühlschrank etc. Man hätte also auch quasi wie zu Hause kochen können. Wir wollten es aber bewusst schlicht und einfach halten. Auch um Zeit zu sparen.
Wir waren auch zwei-/ drei Mal in Restaurants essen. Hauptsächlich haben wir aber die Möglichkeiten im Camper genossen. Mittags einfach irgendwo in der Natur haltmachen, Nudeln kochen und damit an den Flusslauf setzen und Pause machen. Das war für uns ein sehr großer Mehrwert.
Flexibel geht es mit dem Camper los
Wir starteten unsere Reise Richtung Banff. Wie bereits angekündigt, verlief die Fahrt anders als erwartet, nämlich durch einen Schneesturm. In Banff angekommen, mussten wir unsere Reiseplanung überdenken. Denn die Kältefront zog sich von Jasper nach Banff und sollte noch einige Tage andauern. Da unser kleiner Camper nur eine kurze Generatorlaufzeit hatte (Strom für z. B. auf Heizung), mussten wir auch schauen, auf welchen Campingplätzen wir Stromanschluss hatten. Das haben wir nämlich von vornherein nicht immer mitgebucht, da wir durchschnittliche 18 Grad erwartet hatten.
Nach einem kurzen Krisenrat entschlossen wir uns, die Route in umgekehrter Reihenfolge zu fahren. Wir fuhren also am nächsten Tag weiter Richtung Westen nach Revelstoke, raus aus den Rocky Mountains. Und tatsächlich, jeden Kilometer wurde das Wetter freundlicher, heller und die Sicht wurde immer besser.
South Thompsen River – Clearwater – Wells Gray NP
Nach einem kurzen Stopp fuhren wir weiter am South Thompsen River entlang bis nach Kamloops. Auf dem Weg zeigte sich endlich auch die Sonne und wir besuchten einige Bauernmärkte und bummelten durch die Orte. Weiter ging es nach Norden nach Clearwater, dem Tor zum Wells Gray Nationalpark. In diesem Park verbrachten wir mehrere Tage, da es so vieles zu entdecken gab und das Wetter immer besser wurde.
Wir machten Wanderungen zu Wasserfällen, durch dichte Wälder und unternahmen eine Kanutour auf dem Clearwater Lake. Abends machten wir dann unser erstes Lagerfeuer mit Marshmallows.
Genau so hatten wir es uns erträumt. Hier spürten wir die Entschleunigung und Ruhe Kanadas.
Rocky Mountains - Jasper
Die Kältefront hatte sich zwischenzeitlich aufgelöst, sodass wir uns dann wieder aufmachten Richtung Rockyies. Nach einem kurzen Besuch im Mount Robson Provincial Park erreichten wir unseren nächsten Stopp Jasper. Hier verweilten wir einige Tage, da es so schön war, durch den Ortskern zu laufen, die kleinen Geschäfte zu besuchen und die umliegenden Seen (Maligne Lake, Medicin Lake) und Berge schnell erreichbar waren.
Mein persönliches Highlight: Wir unternahmen einen Ausflug auf den Whistler Mountain. Und oben, auf dem schneebedeckten Peak, unter klarem blauem Himmel und mit einem spektakulären Ausblick, machte mir mein Freund einen Heiratsantrag. Einen besseren Ort, einen besseren Zeitpunkt konnte es für uns nicht geben.
Weiterfahrt nach Lake Louise und Golden mit Eishockeyspiel
Die nächste Fahrt starteten wir bereits frühmorgens. Für den Weg von Jasper nach Lake Louise nahmen wir uns einen ganzen Tag Zeit. Denn auf dieser Strecke, dem Icefields Parkway, gibt es eine Menge Ausflugsmöglichkeiten. Wir unternahmen kleine Wanderungen und sahen auch den Columbia-Icefield-Gletscher.
In Lake Louise waren wir natürlich am gleichnamigen See und am Bow River. Danach machten wir noch einen kurzen Abstecher westlich in den Yoho Nationalpark, zum Emerald Lake und nach Golden. Dort sahen wir zum Beispiel auch ein ganz typisches Eishockeyspiel von der städtischen Mannschaft. Was für ein berauschendes Erlebnis! Laute Musik, Gegröle, Pommes und Bier in roten Cups, wir haben sofort mitgefiebert. Ganz klar: Wir hatten überhaupt keine Ahnung, wie dieses Spiel funktioniert. Bis zum Ende ergab nichts für uns Sinn. Aber das macht gar nichts, es hat einfach so viel Spaß gemacht!
In der Nähe von Golden haben wir uns eine Nacht im "Kicking Horse Mountain Resort" zum 30. Geburtstag von meinem Verlobten (hui, kurzes Upgrade) gegönnt. Im Winter ist es ein Skiresort und im Sommer kann man Wanderungen unternehmen und bis auf den Gipfel mit der Seilbahn fahren, um einen spektakulären Ausblick über die Rockies zu genießen.
Zurück in der Zivilisation - Banff
Abschließend waren wir dann noch einige Tage in Banff. Dies ist der belebteste Ort auf unserer Route (neben der Metropole Calgary). Hier haben wir dann auch einige Souvenirs erstanden, haben einheimische Gerichte ausprobiert und auf dem nahe gelegenen Lake Minnewanka ein Boot gemietet. Am letzten Tag haben wir uns noch einen Traum erfüllt und haben einen Helikopterflug unternommen. Der Flug ging über das Spray Valley, und es war beeindruckend, die Rockies noch einmal von einer ganz anderen Perspektive zu bestaunen.
Rückreise und Reflexion
Unser Rückflug nach Deutschland ging am Abend. Wir sind daher am späten Vormittag langsam über Canmore nach Calgary zurückgefahren. Nach Abgabe des Campers haben wir die Stadt noch etwas erkundet und mit großem Herzschmerz Abschied von Kanada genommen.
Wir hatten eine aufregende und spannende Zeit hinter uns, haben uns gegenseitig noch besser kennengelernt und ganz klar beschlossen, dass Kanada uns definitiv bald wiedersehen wird.
Insgesamt waren wir 16 Tage mit dem Camper unterwegs. Wir haben uns bewusst für eine überschaubare Route mit viel Zeit entschieden. Uns war es wichtig, auch mehrere Tage an einem Ort bleiben zu können, um keine Hektik aufkommen zu lassen.
Das Fahren auf den kanadischen Straßen war einfach herrlich. Breite Straßen, kaum Verkehr, deutliche Ausschilderungen – wir haben uns sehr gut zurechtgefunden. Auch das Tanken und Tauschen der Abwässer haben wir schnell gelernt. Die Kanadier waren aber auch immer sehr herzlich und hilfsbereit bei Nachfragen.
Unsere Fahrten wurden auch immer begleitet von Herden von Rehen und Hirschen, einige Elche haben wir gesehen und sogar einen Schwarzbären.
Abschließend wurden wir bestätigt darin, dass die Wahl eines Campers vollkommen richtig war. Wir konnten unsere Route dadurch individuell vor Ort nach unseren Wünschen anpassen. Die Campingplätze konnte man umbuchen oder gegen eine geringe Gebühr stornieren. Wir haben also das Beste aus der unerwarteten Wetterlage machen können.
Wir freuen uns schon sehr auf den nächsten Urlaub in Kanada und gehen schon jetzt auf Gedankenreise! Ihre Johanna Brügmann
Kanada mit dem Camper
Erstellt von Johanna Brügmann || Reisebericht Amerika
Individuelle Reise von Johanna Brügmann durch die Rocky's in Kanada mit einem Camper - zum ersten, aber nicht letzten Mal! (09/2018)